Rede der CDU-Fraktion zum Haushalt 2024
Sehr geehrte Frau OB Zull,
sehr geehrter Herr EBM Berner,
sehr geehrte Frau BM Soltys,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des GR,
sehr geehrte Vertreter der Presse und an der Kommunalpolitik interessierte Gäste.
Wir leben in einer Zeit des Wandels. Wir leben in einer Zeit der Veränderungen oder ist es gar eine Zeitenwende? Zu allen Zeiten in der Menschheitsgeschichte gab es einschneidende Ereignisse, Kriege, Naturkatastrophen, Hungersnöte, Krankheiten und vieles mehr. Meistens war es danach nicht mehr wie zuvor.
Zu allen Zeiten haben die Menschen Orientierung und Halt gesucht. Ob bei den Regierenden auf allen Ebenen – Bund, Land oder Gemeinde – oder bspw. im christlichen Glauben. Die Reformation, ausgelöst durch Martin Luther, wollte den Menschen auch bei diesen Fragen eine Hilfestellung geben, die die damalige Kirche nicht bieten konnte.
König Friedrich der II. sagte bereits – vor über 250 Jahren: „Ich bin der erste Diener meines Staates.“ Doch wo stehen wir heute? Das Wort „dienen“
- im positiven Sinne - sollten wir als Gemeinderat und Stadtverwaltung viel stärker in den Mittelpunkt unserer Überlegungen und Entscheidungen stellen.
Die Bürgerinnen und Bürger als Kunden sehen, im besten demokratischen Sinne fragen: Dient die jeweilige Vorlage und Entscheidung den Bürgerinnen und Bürgern?
Im Rahmen der Haushaltsberatungen sind aber nicht nur die grundsätzlichen Fragen anzusprechen, sondern auch viele praktische, wegweisende und konkrete Entscheidungen zu beschließen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf für 2024 darf mit Fug und Recht als Kraftakt und Kür auf höchster Ebene bezeichnet werden. Großen Respekt an diejenigen, die maßgeblich dran beteiligt waren. Doch der Haushalt zeigt auch: Die finanziellen Spielräume sind vollständig ausgereizt, die Verschuldung nimmt zu, die Abschreibungswerte werden nicht erwirtschaftet und die Personalkosten erreichen noch nie dagewesene Höhen.
1.) Wirtschaftliche Lage Haushalt 2024
Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Lage bitten wir die Verwaltung, nicht nur an den Kosten zu sparen, sondern im 1. Halbjahr 2024 dem Gemeinderat ein Konzept vorzulegen wie insbesondere die strukturellen Schwächen reduziert werden können. Die Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat hohe Priorität, die laufenden Ausgaben sind durch laufende Einnahmen abzudecken. Die Abschreibungen sind zu erwirtschaften. Insbesondere bei der freiwilligen Aufgabenerfüllung ist zu überprüfen, ob Entscheidungen die vor 20 oder 30 Jahren getroffen wurden heute noch richtig sind. Der berühmte „Fellbacher Standard“ ist ausdrücklich zu hinterfragen.
2.) Verschuldung
Die in der Finanzplanung ausgewiesene, geplante Verschuldung im Kernhaushalt und bei den Beteiligungsunternehmen ist zu hoch. Der Handlungsspielraum für zukünftige Generationen wir dadurch erheblich eingeschränkt.
3.) Freiwillige Leistungen
Die Übernahme von freiwilligen Leistungen durch die Stadt Fellbach, die bspw. originäre Aufgabe des Landkreises sind, sind zu überprüfen, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Zugleich sind die Chancen durch interkommunale Zusammenarbeit bei Pflichtaufgaben verstärkt zu ergreifen.
4.) Beteiligungsunternehmen
Bei den Beteiligungsunternehmen werden zum Teil erhebliche Verluste ausgewiesen. Wir fordern die Verwaltung auf, im 1. Halbjahr 2024 in Absprache mit den Aufsichtsräten, dem Gemeinderat Konzepte für eine deutliche Reduzierung dieser Verluste vorzulegen.
5.) Keine höhere Grundsteuer
Die Neubewertung der Grundsteuer darf zu keiner Mehrbelastung für Mieter und Vermieter führen. Wir fordern eine entsprechende Absenkung der Hebesätze, damit das Wohnen nicht noch mehr verteuert wird.
6.) Personal
Die enormen, insbesondere tarifbedingten Steigerungen der Personalkosten ab 2024 um ca. 5 Mio. € im Kernhaushalt und ca. 2 Mio. € zur Unterstützung der Personalkosten im Betreuungsbereich erfordern eine noch umfangreichere Personalbindung. Wir fordern die Verwaltung auf, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen sowie Konzepte eines umfangreichen Wissensmanagements zu integrieren und nachhaltig zu leben. Wir beantragen, dass bei Beschlussanträgen analog zu den Baukosten auch den eventuell notwendigen, zusätzlichen Personalbedarf nach Stellen und Personalkosten auszuweisen – ganz besonders im Hinblick auf mögliche Folgekosten anlässlich von Neubauten.
7.) ÖPNV
Die Stärkung des ÖPNV's ist eine unserer wichtigsten Forderungen. Das gilt für die grundsätzliche Verkehrsführung aber auch ganz besonders für die Umbauzeit zur Verlegung der U1 Endhaltestelle. Die Belastungen und Einschränkungen sind möglichst gering zu halten. Die dicht bewohnten Quartiere dürfen keine Verschlechterung erfahren.
8.) Radverkehr und Fußgänger
Die Radinfrastruktur ist kontinuierlich weiter zu entwickeln, allerdings nicht ausschließlich zu Lasten von Fußgängern und Autofahrern. Deshalb fordern wir ein Konzept „gute und sichere Fußwege“ in Fellbach. Aufgrund der beengten Verhältnisse in der Bahnunterführung fordern wir eine Fuß- und Radbrücke über die Bahnschienen in Verlängerung der Theodor-Heuss-Straße.
9.) Betreuung von Kindern
Für die Betreuung von Kindern lautet unsere Forderung: erst gesicherte Zahlen für die voraussichtliche Entwicklung entsprechend neuen Gutachten auswerten, erneute Entscheidungen im Gemeinderat herbeiführen, bevor neues Personal gewonnen und neue Einrichtungen gebaut werden. Für Letzteres muss ein nachvollziehbarer Mehrbedarf vorliegen und alle Möglichkeiten der Umverteilung ausgeschlossen sein.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Anja herzlichen Dank für Deine Unterstützung.
Ich möchte aus zeitlichen Gründen direkt mit dem 2. Teil unserer Stellungnahme weiter machen.
10.) Feuerwehr und Ehrenamt
Unsere ehrenamtliche Feuerwehr erfüllt sehr wichtige Aufgaben. Deshalb fordern wir eine kontinuierliche Beschaffung an hochwertiger Ausrüstung und geeigneten Maschinen sowie Geräten auf neuestem technischen Stand. Derselbe Anspruch gilt auch für alle anderen ehrenamtlich Tätigen, z.B. dem DRK.
11.) Baumaßnahmen an Schulen
Bevor neue Räumlichkeiten in oder an Schulgebäuden geschaffen werden, müssen dem Gemeinderat umfangreiche Unterlagen vorgelegt werden, die insbesondere strukturelle Fragen und die voraussichtliche Entwicklung der Schülerzahlen in ganz Fellbach aufzeigen z.B. GSG und FSG.
12.) Wohnungsbau
Der Wohnungsbau ist an die vorhandenen Flächenkapazitäten anzupassen. Unsere vorhandenen Freiflächen sind grundsätzlich zu erhalten. Die Nachverdichtung im bisherigen Umfang ist zu hinterfragen. Es müssen auch zukünftig Freiflächen für eine gute Aufenthaltsqualität, zur Durchlüftung und Luftabkühlung ausgewiesen werden. Nicht jeder Quadratmeter Fläche darf zugebaut werden. Die Nutzung von Regenwasser sehen wir als sehr wichtig an, insbesondere bei allen Neubaumaßnahmen.
13.) Baumaßnahmen und Investitionen
Wir fordern, dass es zukünftig keine beschleunigten Verfahren bei Baumaßnahmen über 100.000,00 € geben darf. Wir fordern außerdem, dass alle Verfahren und Abläufe so zu planen sind, dass unsere Fellbacher Betriebe die Chance haben ihre Leistungen anzubieten. Der Weg über die gemeinderätlichen Gremien und die Beteiligung der Öffentlichkeit ist unbedingt zu beachten. Bei allen Beschlüssen sind die zusätzlichen Personalstellen und -kosten aufzuführen.
14.) Verschiebung oder Streichung von geplanten Investitionen
Bei den einzelnen Investitionsmaßnahmen beziehen wir uns auf die laufende Nr. der geplanten Investitionen.
15.) Stadtentwicklung
Wir fordern die Verwaltung auf, die vorhandenen Gewerbegebiete nicht durch Wohnungsbau oder andere Nutzungen zu beeinträchtigen. Die uneingeschränkte Erhaltung der Industrie- und Gewerbegebiete, auch im IBA-Bereich, ist für die zukünftige Leistungsfähigkeit unserer Stadt elementar.
16.) Neue Mitte Fellbach
Die Neue Mitte Fellbach soll nicht nur ein technisches Gebilde werden, sondern ein Ort für die Bevölkerung. Von einer maximalen Bebauung ist bei den Planungen Abstand zu nehmen, insbesondere muss die Größe und die Gestaltung der neuen Gebäude der Umgebung angepasst werden.
17.) Nördliche Bahnhofstraße
Die Planungen für die Erneuerung und Umgestaltung der nördlichen Bahnhofstraße sind aufzunehmen. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Handelsbetriebe und Gewerbetreibenden ausreichend berücksichtigt werden.
18.) Entwicklung in Oeffingen
Die Umgestaltung und Weiterentwicklung in der Oeffinger Ortsmitte muss aktiv weiterbetrieben werden, d.h. der gesamte Bereich zwischen Rathaus und Schlössle ist einzubeziehen. Die Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Kitas und Gewerbetreibenden ist für uns äußerst wichtig.
19.) Handel und Gewerbetreibende
Die Schaffung von guten Bedingungen für unsere Gewerbetreibenden ist sehr wichtig. Ganz besonders ist auf die Förderung von unterschiedlichen Betrieben mit unterschiedlichen Angeboten zu achten. Kleinere Unternehmen aller Art - insbesondere auch Handwerksbetriebe - brauchen eine stärkere Unterstützung und Perspektiven für Entwicklungsmöglichkeiten, her ist die Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing gefordert.
20.) PV und Solar
Wir fordern die Verwaltung auf, vor einer möglichen Nutzung der Freiflächen ein Förderprogramm zur Belegung aller Dachflächen und aller überbauten Flächen in Fellbach aufzulegen. Begrünte Dächer und PV Nutzung können sich sehr gut ergänzen. Diese Maßnahme gilt ganz besonders für alle städtischen und öffentlichen Gebäude.
21.) Natur und Umwelt
Unsere freien Flächen sind von Fremdnutzungen zu schützen. Die weitere Umnutzung von landwirtschaftlichen Wirtschaftswegen für Fahrradstraßen ist nicht akzeptabel. Statt einer Vollversiegelung sind in vielen Fällen Schotterwege oder wassergebunden Maßnahmen vollständig ausreichend. Die Rebhuhnschutzgebiete müssen ausgebaut werden.
22.) Sport- und Freizeitanlagen
Die Erhaltung der sportlichen Infrastruktur muss aktiv betrieben werden. Der Neubau einer Halle bzw. die Sanierung der Hallen ist in enger Abstimmung mit den Sportvereinen, den Schulen und anderen Nutzern unter Beachtung der finanziellen Möglichkeiten zu planen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Größe der Halle bzw. der Räumlichkeiten zu den Anforderungen der zukünftigen Nutzern passen.
Haushalt der Hoffnung
Nach sehr langen und intensiven Beratungen sollten wir den Haushalt 2024 mit der Überschrift
Haushalt der Hoffnungen
bezeichnen.
Das umfangreiche Zahlenwerk, alles wohlgeordnet, abgestimmt und gesetzeskonform aufbereitet ist die eine Seite, der Inhalt die Visionen die Hoffnungen spielen 2024 aus unserer Sicht eine ganz zentrale Rolle, deshalb Haushalt der Hoffnungen.
Wir als CDU-Fraktion bedanken uns ganz ausdrücklich bei der Verwaltungsspitze, Frau OB Zull, Herrn EBM Berner, Frau BM Soltys, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, der Presse und allen, die uns aktiv begleitet unterstützt haben.
Stellvertretend möchte ich namentlich ganz besonders Frau Arnold erwähnen, aber auch alle in der Verwaltung die von Frau Arnold doch vermutlich ziemlich in die Sparpflicht genommen wurden. Vom ersten Entwurf an haben Sie uns als Gemeinderat mit einbezogen, Ihre Schwierigkeiten für die Haushaltsaufstellung benannt und Lösungsvorschläge aus der Haushaltsstrukturkommission oder den Fraktionen sehr positiv aufgenommen.
Noch anspruchsvoller ist die Führung der Verwaltung bei einer solch großen Aufgabe. Frau OB Zull, Sie haben Wesentlich dazu beigetragen die Fliehkräfte innerhalb und außerhalb der Verwaltung zusammenzuführen. Eine bemerkenswerte Leistung, vor dem Hintergrund, dass ganz bestimmt jedes Amt, jedes Dezernat und jede Fraktion sagt, unsere Vorstellungen und unsere Wünsche sind natürlich die Allerwichtigsten und bei uns kann und darf nicht gespart werden. Bleiben Sie Ihrer Linie treu und führen und leiten Sie unsere wunderschöne Stadt auch in Zukunft mit sicherer, ausgleichender und ruhiger Hand damit aus dem Haushalt der Hoffnungen ein gutes Ergebnis entsteht.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.