Diskussion vor Ort: Gesetzesentwurf muss her!
Stefan Hämmerle, Vorsitzender der Jungen Union, brachte es auf den Punkt. Mitten in der Diskussion waren seine erklärenden Worte offenkundig nötig geworden: „Beim Betreuungsgeld geht es nicht um die Frage Kita-Ausbau oder nicht. Ebenso wenig sind es zwingend die Eltern, die zu Hause bleiben müssen, damit die Familie einen Antrag auf das Betreuungsgeld stellen kann. Auch Großeltern, Tanten und Onkels oder eine Nanny für die Kindererziehung in Anspruch zu nehmen ist mit der neuen Sozialleistung vereinbar“, sagte Hämmerle. Er betonte auch die tiefen ideologischen Gräben, die für die Sachdebatte hinderlich seien.
Bei der ersten Diskussion vor Ort wurde gleich ein politisches Reizthema debattiert, welches regelrechte Glaubenskriege entfacht hat. Erst kürzlich vor der Veranstaltung, die von Pressesprecher Fabian Zahlecker geleitet wird, war im Deutschen Bundestag eben dieses Thema Inhalt einer aktuellen Stunde. Die SPD-Fraktion gab ihr den Titel: „Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld“. Taktischer und unfairer hätte man es wohl kaum formulieren können, da gerade dieser Titel eine Unwahrheit darstellt. 2007 vereinbarte die Große Koalition mit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen, wobei ich wohl hier noch einmal erwähnen sollte, dass diese Ministerin unserer Partei zugehörig ist, einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem 1. Januar 2013. Wohl wissend, dass dies eine Klagewelle auslösen würde. Der Kita-Ausbau in den vergangenen Jahren ist massiv ins Stocken geraten, was unter anderem auch die ehemalige Bundesfamilienministerin von der Leyen zu verantworten hat. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder scheint dies nun ausbaden zu müssen, doch bei ihr fehlen leider familienpolitische Kernthesen und ein klarer Kompass: Zum Betreuungsgeld hat sich die Jungministerin aus Hessen noch nicht eindeutig geäußert. Wahr ist jedoch, dass im Koalitionsvertrag von Union und FDP 2009 diese Leistung festgeschrieben ist. Doch in der eigenen Partei ein Reizthema, in der FDP sowieso ungeliebt und lediglich von den Baiuwaren angetrieben – das Betreuungsgeld stand von Anfang an nicht unter einem guten Stern.
Deshalb forderte die Runde im Mörikekeller zu aller erst einen Gesetzesentwurf, den es zum Zeitpunkt der Diskussion vor Ort noch nicht gab. Sonst mache es wenig Sinn über diese Frage zu streiten. Allerdings wurde auch das Gesamtauftreten der CDU und damit der Fraktion kritisiert. Da praktisch alle in der Runde das Betreuungsgeld wollten, ging die Kritik hauptsächlich zu Lasten derjenigen Frauen, die sich in Berlin gegen die eigene Partei stellten. Zu ihnen zählte auch Karin Maag aus Stuttgart Nord. Volker Kurz befürwortet das Betreuungsgeld. „Aber ganz unabhängig von diesem Thema muss ein Koalitionsvertrag eingehalten werden“, sagte Kurz.
Einige Seniorinnen meldeten Bedenken an und brachten Verbesserungsvorschläge. Beim Thema Rente sei die bisherige Variante des Betreuungsgeldes zu lasch. Für die Frauen müsste es einen Ausgleich geben. „Die Zeit, die sie zu Hause verbracht haben, muss auch bei der Rente bedacht werden“, sagte Elisabeth Strobel. Ansonsten sahen es die Gesprächsteilnehmer überwiegend als positiv an, dass die Idee der CSU, die Eltern wieder in den Mittelpunkt der Erziehung von Kleinkindern zu stellen, in der Politik wieder diskutiert wird. Schließlich, so die Runde, war dies jahrhundertelang immer so gewesen.
Ebenfalls kritisch wurde das Thema Integration ins Spiel gebracht. Christel Schwegler von der SU meldete Bedenken an, ob Migranteneltern mit ihren Kindern zu Hause wirklich Deutsch sprechen würden. „Dies ist ein großer Knackpunkt. Aber zu sagen, dass das Betreuungsgeld nur an Deutsche ausgezahlt werden solle, geht auch nicht“, sagte Schwegler.
Schwegler und Strobel hielten das Betreuungsgeld für zu gering. 150 Euro im Monat reichten nicht aus, um die vielfältigen Aufgaben der Kleinkinderziehung zu bewältigen, sagten die beiden von der SU. Damit wurde die politische Symbolik des Betreuungsgeldes im Mörikekeller erkannt und zur Sprache gebracht.
Die Emotionalität der Debatte war auch an diesem Abend festzustellen, auch wenn kaum Gegner anwesend waren. Harald Rienth konnte sich schlussendlich nicht wirklich festlegen, ob das Betreuungsgeld ausreichend Vorteile gegenüber seinen Nachteilen habe. Grundsätzlich aber sei er dafür.
So einigte sich die Runde darauf, dass der Gesetzesentwurf kommen müsste und einige Änderungen bei der Rente nötig seien.
Mittlerweile ist der Gesetzesentwurf da. Kommen soll das Betreuungsgeld zum 1. Januar 2013. Kitas werden weiter ausgebaut, vor allem in den Städten im Westen, wo erheblicher Mangel herrscht. Die 23 CDU-Frauen haben ihren Protest inzwischen zurückgezogen.
Anschließend wurde das Thema Röttgen diskutiert. Helmut Grätsch betonte den Fehler des ehemaligen Umweltministers, nicht gesagt zu haben, dass er im Falle einer Niederlage, die abzusehen war, in Düsseldorf bleiben würde. Frank Selle, früher Bezirksverband Düsseldorf, berichtete von seinen Bedenken, die er von Anfang an gegen Röttgen hatte. Er habe damals bei der Wahl des Landeschefs für Laschet gestimmt. Mittlerweile hat der ehemalige Integrationsminister von NRW diesen Posten inne. Christel Schwegler zeigte sich von Röttgen bitter enttäuscht und frustriert. „Die Entscheidung der Bundeskanzlerin ihn rauszuschmeißen und klar Position zu beziehen, sei absolut richtig gewesen“, betonten Schwegler, Strobel und Grätsch. Sie sei die Chefin und müsse klar sagen, wo es lang geht.
Fabian Zahlecker dagegen äußerte sich kritisch und betonte, dass es Merkel nicht darum gehe, die Wahlniederlage von NRW korrekt zu analysieren. Stattdessen beseitige sie erneut einen innerparteilichen Konkurrenten. „Röttgen hat dumme Fehler gemacht, aber er war ihr einziger potentieller Nachfolger gewesen. Jetzt hat die CDU niemanden mehr, der Merkel ernsthaft nachfolgen kann“, sagte Zahlecker. „Röttgen kann keinen Wahlkampf, aber einem sehr guten Parlamentarischen Geschäftsführer muss man nicht die Energiewende ins Fach legen“, sagte Zahlecker. Man müsse nun in der Partei endlich Geschlossenheit zeigen.
Das war die Quintessenz der ersten Diskussion vor Ort. Einige konnten ihrem Ärger über den Zustand der Berliner Führung und Koalition Luft machen. Das Betreuungsgeld wird mehrheitlich erwünscht, Norbert Röttgen trauert niemand wirklich hinterher.